interfiction X (2003)
filesharer values - Ökonomien des (Aus-)Tauschs
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20. Kasseler
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Almut Jürries

interfiction -team


abstract:

Dass filesharing revolutionaeres Potential in sich birge ist eine der Mythen, die in etwa vergleichbar sind mit denjenigen, die ueber hippieske Kommune-Kreise im Umlauf sind und behaupten, dass sie an und fuer sich schon allein durch ihre Existenz das System unterwanderten. Es handelt sich dabei nicht aber um alternative Gesellschaftsformen, sondern eher hoechstens um ein verklaert-ideeles Beispiel einer solchen und taktische Massnahmen des kulturellen und sozialen wie auch des oekonomischen Ueberlebens.

Wissen, Werte und "Wir"
Inwiefern beinhalten zb. das Erinnern oder auch Wissen an und fuer sich oder fuer uns Werte (Eigenwert) und wie definiert sich darueber ein "Wir"?

- Wissen muss ausserhalb der Bildungs- und Kulturinstitutionen bereits waehrend der hinter dem Begriff der Freizeit verschleiterten Reproduktionsarbeitszeit antrainiert werden. Die Abhaengigkeit vom Upgedatet-Sein des technologisierten Heims, um Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt einer "Wissensgesellschaft" zu haben, werden haeufig als Vorzug gegenueber anderen Media-Mittellosen gesehen, wobei die eigene Einbindung der "Bemittelten" in den kapitalistischen Produktionsprozess nicht erkannt wird. Durch die Verlagerung des finanziell-existentiellen Bildungsniveau innerhalb der Industrielaender in die Haushalte verlagern sich auch die Anschaffungen der Produktionsmittel der "immateriellen" Waren (in diesem Fall Computer) dorthin – womit einhergeht, dass das konstante Kapital, das von den Fabrikbesitzern und Industriellen bisher in die Produktion d.h. in Technik und Infrastruktur investiert werden musste, "outgesourced" werden kann und damit den ArbeiterInnen ebenfalls vom Lohn abgezogen wird.

- Wie in allen anderen Bereichen des kapitalistischen Produktionsverhaeltnisses entsteht der Wert in der produktiven Arbeit durch die Lohnabhaengigen. Der Wert von Wissen wird generiert innerhalb der Frage der (Tausch-)Verwertbarkeit des jeweiligen Wissens, das nur durch Verknappung der Gueter seinen Wert erhalten kann. Das urspuengliche Ziel der Technisierung und Maschinisierung, die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf ein Minimum herabzusenken, wird gerade durch den Kapitalismus, der dieses wuenschenswerte Fortkommen besonders stark vorantreibt, aufgehalten (1 Widerspruch).

- Herrschaftswissen dh. Expertenwissen ist nichts anderes als die potentielle Moeglichkeit zum "wissenschaftlich-technischen Fortschritt", der u.a. den Innovationszyklus (auch ideologisch) generiert und motiviert, wobei das Eigentum an Produktionspotentialen bereits festgelegt ist. Somit existiert im Kapitalismus weder ein (tauschbares) Wissen (&Erinnern) noch sein Wert an und fuer sich.

- Pear-to-Pear, software-cracking und filesharing greifen als wirtschaftsunterstuetzend in den Produktionsprozess ein und bieten Fruchtwasser fuer technologische Warengeburten. Diese als "Neuheiten" bezeichneten Erscheinungsformen prozessieren vor allem die inhaltliche Erneuerung der Verwertungsmaschinerie und bieten ein neues Terrain der Ressourcenschoepfung fuer den Kapitalismus. Es ist die erhoehte Vereinnahmung dieser von einigen Idioten als frei bezeichneten Ressourcen und ihre Einbindung in den Warenzyklus, die nur an und fuer sich kritisiert wird, wobei die Verwertung als solche – und das ist vielen nicht bewusst – schon viel frueher stattfindet.

- Dieser Naerboden der Ressourcenschoepfung (wie die staatliche Verwaltung dies auch in Open Source sieht), der nur gemeinschaftlich (als eine ideelle und materielle Interessens- gemeinschaft!) funktionalisiert werden kann, vergibt seine Nutzungsmoeglichkeiten einer Netz-Bourgoise: Waehrend sich viele der ProduzentInnen der materiellen Grundlagen (hartware) aufgrund ihrer oekonomischen Situation keinen Zugang zu diesem Bereich der Entknappung von "software" leisten koennen, treibt sie es auf deren Ruecken um so heftiger: Die Zwischenraeume in den Netzen werden weiter ausgepresst; die Situation verselbstaendigt sich und wird nicht mehr in ihrer Wirklichkeit erkannt.

[Auch ein Potlatch ist nichts von sich aus Kollektives oder Gesellschaftliches, sondern beinhaltet bzw. reproduziert allein durch die Benennung einer Idealitaet die Besitzverhaeltnisse zu deren Stabilisierung: es gibt kommunistische und kapitalistische Potlatches; bei beiden Formen handelt es sich um Verausgabung gesellschaftlich materialisierter Arbeitskraft, aber nur bei letzterem haelt sich die Begriffsdefinition des "geschenkoekonomischen Potlatches". Denn handelte es sich wie bei ersterem bereits um gesellschaftlichen Besitz, der dort "verschenkt" wird, fuehrt sich sowohl die Benennung der Verschwendung als auch der des Geschenks in den modernen Bedeutungen ad absurdum.]

- Nichtsdestotrotz beinhaltet filesharing wenigstens einen ideellen/ideologischen Stoerfaktor (Artefaktor) fuer die multinationalen Konzerne, weil die Verhaeltnisse des Besitzes und des Eigentums mit ihrer Entknappungstendenz in Frage gestellt werden und die ideologischen Grenzziehungen zwischen den angeblichen Eigentuemern der Originalitaet, den AutorInnen (die sich zu nichts anderem als einem Label selbst degradieren), sich in anderer Form fetischisieren muss. An dieser kleinen Bruchstelle, in dieser winzigen Zaesur brodelt ein ganzer Diskurs, ein Spiegelbild des Klassenkampfes flackert kurz und sitzt dem eigentlichen Problem reitend auf.


bio:

Almut Juerries
geb. 1973
5Jahre Grundschule in Berlin
9Jahre Klavierunterricht
14Jahre Schule
5Jahre Studium
3Jahre Doktorandum
40Jahre Arbeit

Ausstellungen:
im "german art buysiness", New York 1999: "Kalaschnikows x"
im "Atelier National de Création Rabôtnique" NNRA, Paris 2000: "Vive la Révolution!"
im "Grand Dame", Leipzig 2000: "Arbeitsamt: Suche Bombenbauer! Biete explosiven Job!"
im "conferenzsaal", Prag 2001: "4Tage Knast in der tschechischen Republik"
@Standort0 und HAUS, Kassel 2001/02: "mita DC3055 – Copyart" & "Lehrstuehle und andere Innereien"
in der Lockhalle, Erfurt 2002: "Counter-Strike fuer Deine Ausbildung."
im "catrine", Stockholm 2003: "Lady adonna.M – sharpe like a knife"

Veranstaltungsleitung:
Standort0 ( http://www.standort0.de ) fand im Jahre 2001 statt; mit ueber 3000 BesucherInnen war dies die groesste Veranstaltung ausserhalb der Zeitraeume Dokumenta in Kassel; fantastische Bands begleiteten intensive workshops innerhalb des innovativ-interdisziplinaeren connexes von Soziologie, Politologie, Phsychologie, Kunst(-) und Kulturwissenschaften, linke Theorie und subversiv-revolutionaere Aktivitaeten. Innerhalb des Veranstaltungsrahmens fanden ebenfalls Messen zu neuen Symboliken und Faschismus statt.

Seit 2002 organisiert Almut Juerries aufgrund von phychisch-politischen wie auch gesundheitlichen und altersbedingten Schwierigkeiten auf professoraler Seite innerhalb der Kunsthochschule ersatzweise die "Bkademie" ( http://www.bkademie.de ), die Seminare im Bereich der Kunstgeschichte/-wissenschaft, workshops (u.a. im Freien Radio Kassel, http://www.Freies-Radio.de ), Exkusionen zu Tagungen etc., Filmvorfuehrungen und kuenstlerische Korrekturen anbietet.

2003 fuehrte sie beim Bundeskongress fuer soziale Arbeit mit einer Begleitperson den "Soziale Arbeit gibt es nicht"-Klezmer-Dance vor dem Neuen Rathaus in Kassel auf.

Veroeffentlichungen:
2004 veroeffentlichte sie das Buch "Revolution als Prozess – Warum Roland Koch in die Klapse gehoert" in Verlag microprozessor.org. ( http://www.microprozessor.org )


linx:

http://www.serverfestival.de
http://www.auto-cue.net
http://www.menschlichkeit-in-der-altenpflege.de
http://www.heise.de
http://www.t0.or.at
http://www.kassel-gewinnt.de
http://www.deutschland-packts-an.de



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