Computopia rebuilt
„Utopia goes computing“ formulierte der Wissenschaftsphilosoph Klaus Mainzer Anfang des neuen Jahrtausends. Bei der aktuell zu beobachtenden Wiederkehr des Utopie-Themas kommen zunehmend technische Aspekte ins Spiel. In Westdeutschland galt der Computer lange Zeit im linksalternativen Milieu vor allem als ein Mittel des Machtmissbrauchs oder als Mittel einer manipulativen Formung des Verhaltens (in Anlehnung an Weizenbaums Beschreibung des „zwanghaften Programmierers“). In den USA entstand demgegenüber vor vierzig Jahren eine Hackerkultur, die preiswerte Computer für die Massen zur Verfügung stellen wollte. Den Begriff „Computopia“ selbst habe ich zum ersten Mal in einem Vortrag des Jungk-Schülers Rüdiger Lutz in den Neunzigern gehört, wobei dieser beide Aspekte in seinem Szenario je nach Ausführung für denkbar hielt: die Gefahr einer Dystopie (totale Überwachung) und die Chance einer Utopie (z.B. Reduzierung der Arbeitszeit).
In meinem Beitrag „Computopia revisited“ (https://www.heise.de/tp/features/Computopia-revisited-3388589.html) habe ich versucht, die aus meiner Sicht positiven Tendenzen zu kommentieren. Dabei geht es um mehr, als Computer (Hardware / Software) für eine direkte elektronische Demokratie oder die Automation von gesellschaftlich notwendiger Arbeit einzusetzen. Computopia wäre allgemein der Ort, „wo Formen der sozialen Selbstorganisation in die Organisation kybernetisch-algorithmischer Problemlösungsketten übergehen“ (H.J. Krysmanski). Diese spekulative Dimension soll umrissen werden.
Wolfgang Neuhaus, Generalist und Lemologe. Journalistische Texte und Essays zu Themen aus der Cyberkultur (Technikphilosophie, neue Technologien, Science Fiction). Langjähriger Mitarbeiter beim „Science Fiction Jahr“ und beim Online-Magazin „Telepolis“. Mitglied bei Tesof e.V. in Berlin, einem gemeinnützigen Verein, der sich in Forschung und Weiterbildung mit den Perspektiven der Technologischen Zivilisation befasst. www.tesof.de
Publikationen: Panorama der Technoevolution. Zur Abstufung zukünftiger künstlicher Prozesse in der „Summa technologiae“ von Stanislaw Lem, bei: Telepolis 29.12.2016; Einige Schwierigkeiten, über den Kommunismus zu fantasieren. Eine Theorieerzählung zu den Brüdern Strugatzki, in: Michael Görden (Hg.): Das Science Fiction Jahr 2017, Berlin 2017; Die Überschreitung der Gegenwart. Science Fiction als evolutionäre Spekulation, Berlin (forthcoming 2018)