Jörg Thums

irreality.tv: SOAPifizierung als Strategie seriellen Erzählens

irreality.tv ist eine Produktionsplattform für partizipatives und interventionistisches Fernsehen, die als Kooperation der Performancegruppen red park und random people gegründet wurde. Für irreality.tv sind Filmdrehs vor allem Tools, um partizipativ in den urbanen Raum und in den Alltag seiner Bewohner*innen zu intervenieren. Mit der Strategie der SOAPifizierung verstehen wir Filmdrehs als Möglichkeitsraum, Dinge zu tun, Performances und Interventionen zu realisieren, die man sonst nur im Fernsehen, Kino oder auf Streamingplattformen sieht. Denn Soapifizierung ist für uns ein Mittel, den Alltag in den Blick zu nehmen, aber auch, über die Bedingungen des Alltags hinaus andere Handlungsmöglichkeiten zu imaginieren und diese dann tatsächlich im Rahmen eines Filmdrehs umzusetzen. Die Soap ist für uns dabei interessant als ein Format, in dem nichts so bleibt, wie es ist. Es geht also nicht vornehmlich um Happy Ends, sondern im Gegenteil um offene Handlungsverläufe, in denen immer alles anders kommen kann, um die Möglichkeit unerwarteter Wendungen, darum, dass Zukunft gestaltbar wird. Es geht darum, Spannung aufzubauen, indem scheinbar Banales mit Bedeutung aufgeladen und Bedeutungsvolles plötzlich erzählbar wird. Das Format des Seriendrehs hat sich bei bisherigen Projekten als besonders niederschwellig für Partizipation erwiesen. Alle können mit dem Format etwas anfangen, und viele Menschen haben Spass. daran, mitzuspielen, und sich die Serie später anzusehen. Wichtig an dieser Strategie der Partizipation ist, dass es tatsächlich die Wünsche und Ideen der Mitwirkenden sind, aus denen sich die Inszenierung und der Plot der Geschichte entwickeln. Soapifizierung ist aber nicht nur eine Strategie zur Umgestaltung des persönlichen Alltags der Beteiligten, sondern auch eine Strategie zur performativen Intervention in urbane Räume. Diese Interventionen können ganz unterschiedlich sein: mal kleiner, mal grösser, mal mehr, mal weniger spektakulär.

Jörg Thums (Frankfurt)
ist Performancekünstler und Szenarist. Er arbeitet zu Ausprägungen von szenischem Essayismus, Interventionismus und Ansätzen partizipativer Kunstformen. Er ist Teil des geschäftsführenden Vorstands des Landesverbandes Freie Darstellende Künste Hessen e.V. (laPROF), wie auch Vorstandsmitglied im Verein zur Förderung der Zusammenarbeit von Theatern und Schulen in Hessen e. V. und der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen e.V. (LKB).
Als künstlerischer Leiter von red park präsentierte er im Rahmen von Implantieren – Site Specific Festival 2018 das Rechercheprojekt WASSERSTANDSMELDUNG. 2016/17 realisierte er in Koproduktion mit dem Künstlerhaus Mousonturm die Performancereihen SAPONifikation – Einige Übungen in Aufruhr und Ökonomie und Populistenbeschimpfung. Seit 2016 bildet er in wiederkehrenden Künstlerresidenzen die Bürger*innen Büdingens zu Agent*innen ihrer eigenen Zukünfte aus. Seit 2013 kreiert er mit irreality.tv partizipatives und interventionistisches (Internet-)Fernsehen.
www.red-park.net
www.irreality.tv
www.helfersyndrom.com

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